700.000 Euro für den Kampf gegen Krebs, Herzerkrankungen und Depressionen

Von Behring-Röntgen-Stiftung bewilligt Forschungsprojekte in Marburg und Gießen

Marburg / Gießen. Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigsten Todesursachen; auch die Zahl schwerer psychischer Erkrankungen ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Für all diese Erkrankungen werden dringend neue Behandlungsmöglichkeiten benötigt. Mit über 700.000 Euro fördert die von Behring-Röntgen-Stiftung vier Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Philipps-Universität Marburg und der Justus-Liebig-Universität Gießen, die sich der Erforschung von Brustkrebs, Hirnmetastasen, Herzschäden sowie Depressionen verschrieben haben.
Der Stiftungsvorstand im Kreis ihrer jüngsten Projektleiter bei der Übergabe der Förderurkunden (v.l.n.r.): Prof. Dr. Hamidreza Jamalabadi, Dr. Niklas Gremke,
Stiftungsvorstand: Präsident Dr. Lars Witteck, Vizepräsidentin Prof. Dr. Gabriele Krombach, Vizepräsident Prof. Dr. Roland Lill, Benedikt Dörflinger und Dr. Lena Cook.

Fotocredit: Christian Stein

Bei einer Feierstunde im Marburger Landgrafenschloss nahmen die Begünstigten am Dienstag, den 24. Januar 2023, ihre Förderurkunden aus den Händen des Stiftungsvorstands entgegen. „Fortschritte in der medizinischen Forschung werden in vielen kleinen Schritten erkämpft, die zum Verständnis schwerer Erkrankungen beitragen“, sagte Dr. Lars Witteck, Präsident der Von Behring-Röntgen-Stiftung. „Das erfordert neben Erfindergeist den Mut zur Innovation und Durchhaltevermögen. Mit unserer Unterstützung wollen wir jungen Forschertalenten ihren Weg in die Spitzenforschung von morgen ebnen“, verdeutlichte er die Ziele der in Marburg ansässigen Von Behring-Röntgen-Stiftung. Die Projekte der Marburger Dr. Niklas Gremke, Dr. Lena Cook und Prof. Dr. Hamidreza Jamalabadi sowie des Gießeners Benedikt Dörflinger starten im Januar 2023. Ihre Forschungsvorhaben wurden aus fast 40 Vorschlägen ausgewählt, die bei der Von Behring-Röntgen-Stiftung in der aktuellen Förderrunde eingereicht wurden. Drei Jahre haben die jungen Forschenden Zeit, um ihre Ziele zu verwirklichen.

Die Projekte im Einzelnen:

Allen Grund zur Freude hatten die Projektleiter bei der Übergabe der Förderurkunden für ihre Forschungsvorhaben (v.l.n.r.): Prof. Dr. Hamidreza Jamalabadi,
Dr. Niklas Gremke, Benedikt Dörflinger und Dr. Lena Cook.

Fotocredit: Christian Stein

Brustkrebs ist mit Abstand der häufigste bösartige Tumor der Frau. Neben Chemo-, Antikörper- und Antihormontherapien stehen mittlerweile auch neuere zielgerichtete Therapien für die Brustkrebsbehandlung zur Verfügung. Ein Problem ist, dass die Wirkung auch dieser Behandlungsmöglichkeiten nach einiger Zeit nachlässt, weil die Tumorzellen in der Lage sind, ihren Wirkmechanismus zu umgehen. Dr. Niklas Gremke will in seinem mit 199.000 Euro geförderten Projekt die molekularen Mechanismen dieser Vorgänge, die als erworbene Resistenz bezeichnet werden, genauer untersuchen und alternative Therapieoptionen erforschen. Der 30-Jährige, der bereits mit dem Von Behring-Röntgen-Nachwuchspreis ausgezeichnet wurde, arbeitet in der Marburger Universitätsfrauenklinik. Als Clinician Scientist gehört er zu den Medizinern, die neben der Behandlung von Patientinnen und Patienten zugleich auf hohem Niveau forschen.

90 % aller Krebstodesfälle hängen mit der Bildung von Metastasen, den Absiedlungen bösartiger Tumoren, zusammen. Warum ein Ursprungstumor Metastasen bildet, ist jedoch nicht hinreichend erforscht, sodass wirksame Behandlungsmöglichkeiten fehlen. Dr. Lena Cook will in ihrem mit 172.000 Euro geförderten Projekt die enge Wechselwirkung zwischen Tumor- und Immunzellen während der Metastasierung untersuchen. Im Fokus stehen dabei wichtige Bestandteile des Immunsystems, nämlich neutrophile Granulozyten („Neutrophile“); bei ihnen handelt es sich um die am häufigsten vorkommende Art der weißen Blutkörperchen. Bei der Entstehung eines Tumors dienen Neutrophile als Erstabwehr und werden durch bestimmte Signale angezogen. Bösartige Tumore sind in der Lage, Neutrophile „umzuprogrammieren“, sodass diese im Verlauf der Erkrankung die Tumorentwicklung vorantreiben und unterstützen. Dabei können Neutrophile den Tumorzellen bei der Streuung von Metastasen mithilfe von Enzymen helfen, die Blutgefäße durchlässig zu machen. Das Ziel der 30-jährigen Marburger Nachwuchswissenschaftlerin ist es, diese Enzyme gezielt an der Absiedelung von Metastasen zu hindern, was zur Entwicklung von neuartigen Medikamenten führen könnte.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen an der Spitze der Todesursachen in Europa. Ein Grund für die hohe Sterblichkeit ist die mangelnde Regenerationsfähigkeit des Herzens Erwachsener, zum Beispiel nach einem Herzinfarkt.

Benedikt Dörflinger widmet sich der Frage, wie man die regenerativen Fähigkeiten des Herzens, die neugeborene Säugetiere noch besitzen, bei neugeborenen Kindern wiedererwecken kann. Dafür möchte er die beteiligten zellulären Signalwege untersuchen und aufklären, inwiefern der sogenannte zelluläre Selbstmord, den Körperzellen begehen, dazu beiträgt, dass sich die geschädigten Herzen Neugeborener erholen. Das Ziel des 27-Jährigen ist es, diese Erkenntnisse auf Erwachsene zu übertragen, um in fernerer Zukunft die Prognose und Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit Herzschäden zu verbessern.

Das Forschungsprojekt des Gießener Nachwuchswissenschaftlers wird mit 137.000 € unterstützt.

Psychische Erkrankungen, wie zum Beispiel schwere Depressionen, sind weit verbreitet; sie können die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen. Nach wie vor ist nicht genau bekannt, welche Prozesse oder Bereiche im Gehirn diese Erkrankungen verursachen. Möglicherweise sind kleine Störungen im gesamten Gehirn ursächlich, die das Zusammenspiel der verschiedenen Hirnareale beeinträchtigen. In seinem mit 195.000 Euro geförderten Forschungsprojekt überträgt der Ingenieur und Neurowissenschaftler Prof. Dr. Hamidreza Jamalabadi sein Wissen aus der Elektrotechnik auf die Hirnforschung. Mithilfe von Verfahren, die üblicherweise zur Überprüfung von Verbindungen in technischen Systemen verwendet werden, will er die Vernetzungen im Gehirn tausender Menschen untersuchen. Die Hoffnung des 35-jährigen Marburger Nachwuchswissenschaftlers ist es, so den Zusammenhang der Vernetzungen mit verschiedenen psychischen Störungen aufzuklären, um neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Hintergrund:

Von Behring-Röntgen-Stiftung

Die im Marburger Landgrafenschloss ansässige Von Behring-Röntgen-Stiftung wurde am 8. September 2006 vom Land Hessen als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts errichtet. Gegründet wurde sie im Zuge der Fusion der Universitätskliniken Gießen und Marburg im Jahr 2005 und der anschließenden Privatisierung 2006 mit dem Ziel, an beiden Standorten neue Perspektiven für die Hochschulmedizin zu sichern und zu entwickeln. Dem Stiftungsvorstand gehören als Präsident der ehemalige Regierungspräsident Dr. Lars Witteck und als Vizepräsidenten die Gießener Radiologin Prof. Dr. Gabriele Krombach und der Marburger Biochemiker und Zellforscher Prof. Dr. Roland Lill an. Ein mit 15 namhaften Wissenschaftlern aus Deutschland und Österreich besetzter wissenschaftlicher Beirat hat die Aufgabe, die der bei der Medizinstiftung eingereichten Förderanträge zu bewerten sowie Projekte und Themenschwerpunkte zu empfehlen.

Antragsberechtigt sind Angehörige der medizinischen Fachbereiche der Universitäten Marburg und Gießen. Die Von Behring-Röntgen-Stiftung schreibt in der Regel jedes Jahr zum 30. Juni eine Förderrunde aus. Bisher konnte sie rund 23 Millionen Euro für über 135 Projekte bewilligen.