Prof. Dr. Ralph Schermuly ist Experte auf dem Gebiet der experimentellen Pathophysiologie und der Pulmonalen Hypertonie. 2011 übernahm er den Lehrstuhl für Pulmonale Pharmakotherapie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seitdem forschen er und sein Team an Ursachen und Krankheitsmechanismen, um die Faktoren und Auslöser des Lungenhochdrucks besser zu verstehen.

Was genau ist Pulmonale Hypertonie und warum ist sie diagnostisch so schwer identifizierbar?
Prof. Schermuly: Der Lungenhochdruck oder die Pulmonale Hypertonie ist eine Erkrankung der Lungengefäße. In einer gesunden Lunge sind die Lungengefäße sehr dünnwandig. Doch bei dieser Krankheit verändern sich eben diese Gefäße und die Gefäßwand verdickt enorm. Das Blut läuft daher mit einem erhöhten Widerstand, wobei das Herz erheblich beansprucht wird. Als Folge leiden die Patienten zuerst an schwerer Luftnot, das heißt so wie man in jungen Jahren laufen, Treppen steigen, einkaufen gehen konnte, wird das je nach Schweregrad der Erkrankung immer schwieriger bis hin zu unmöglich. Wir haben es also wirklich mit einer Prognose zu tun, die man ausschließlich von verschiedenen Krebsformen kennt und mit einer hohen Sterblichkeit einhergeht. Die Krankheit ist von außen nicht messbar bzw. sichtbar und genau das macht sie so schwer zu diagnostizieren. Nur bildgebende Methoden, wie Computertomographie oder eine Echokardiographie liefern einen sicheren Nachweis, ob die rechte Herzkammer vergrößert ist. Der Druck in der Lunge ist ausschließlich meßbar durch einen Hals-Katheter, der über die Vene durch das rechte Herz in die Lungenstrombahn eingeführt wird. Das ist ein sehr schwerwiegender Eingriff. Man braucht viel Erfahrung und das wird nur in spezialisierten Zentren, zum Beispiel wie wir hier in Gießen eins haben, gemacht.
Welche Auslöser führen zu dieser Krankheit?
Prof. Schermuly: Der Lungenhochdruck kann durch viele verschiedene Faktoren ausgelöst werden. Aber im Prinzip kann man sagen, dass Infektionen, Hypoxie – also Sauerstoffmangel – und auch genetische Einflüsse Veränderungen in dieser feinen Balance von gefäßerweiternden Substanzen wie Prostacyclin und Stickstoffmonoxid auslösen können. Dies initiiert dann einen Umbauprozess der Zellen der inneren Gefäßwand, die daraufhin verdicken, wodurch das Gefäßvolumen immer kleiner wird, d.h. das Gefäß verengt sich. Bei einigen Patienten finden wir gar keinen Auslöser für diese Erkrankung. Wir nennen diese Form Idiopathische Pulmonale Hypertonie. Das ist für die Betroffenen natürlich besonders frustrierend.
Welche Medikamente helfen gegen die Pulmonale Hypertonie?
Prof. Schermuly: Bis vor wenigen Jahren war diese Krankheit kaum therapierbar. Während meiner Doktorarbeit konnten Ärzte nur unspezifische gefäßerweiternde Medikamente geben und im Prinzip den Patienten beim Sterben zuschauen. Die mittlere Überlebenszeit in den 1990ern lag bei etwa 3,5 Jahren. Seitdem hat sich einiges getan. In unserem Lungenzentrum hier in Gießen untersuchen wir die Funktion und Wirkungsweise spezifischer Substanzklassen, die eine maßgebliche Rolle im zentralen Signalweg der Blutdruckregulation spielen. Darunter sind Medikamente, die inhaliert werden können, wie Prostacyclin-Analoga. Sie wirken daher direkt in der Lunge und erweitern die Gefäße. Oral verabreichte Substanzen, wie Phosphodiesterase PDE 5-Hemmer, Endothelinrezeptorblocker oder Stimulatoren der löslichen Guanylatzyklase wirken direkt in der Lungenstrombahn und führen so zu einer Gefäßerweiterung. Diese können einzeln oder auch in Kombination verabreicht werden. Dadurch haben wir es geschafft die mittlere Überlebenszeit der Patienten auf etwa acht Jahre zu verlängern. Das ist ein klarer Fortschritt und für die Patienten eine deutlich bessere Prognose.

Prof. Schermuly zum Stand der Forschung:
Vor kurzem haben wir mit unserer Partner-Forschungsgruppe aus Lhasa eine groß angelegte Studie mit mehreren Tausend Patienten durchgeführt. Es ist extrem aufwändig das komplette Genom der Patienten zu sequenzieren. Wir haben bereits erste Hinweise welche Gene spannende Targets für Medikamente bieten. Wir werden also in Zukunft durchaus über spektakuläre Ergebnisse berichten können.
Welche Forschungsprojekte treiben Sie in ihrer Forschungsgruppe aktuell voran?
Prof. Schermuly: Besonders interessant ist der Aspekt der Hypoxie – also ein Sauerstoffmangel in den Gefäßen. Eine Pulmonale Hypertonie kann auch in Folge von zu wenig Sauerstoff entstehen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass wir alle in 3.000 Meter Höhe eine Pulmonale Hypertonie ausbilden, je nachdem wie lange wir uns in dieser Höhe aufhalten. Wir wollen verstehen warum manche Menschen in großer Höhe leben können und diese Krankheit nicht ausbilden, während andere Menschen sofort einen Lungenhochdruck erlangen. Aus diesem Grund arbeiten wir schon seit vielen Jahren mit den Universitäten Lhasa in Tibet und Bishkek in Kirgistan zusammen. Denn wir vermuten, dass auch genetische Faktoren an der Ausprägung dieser Krankheit beteiligt sind. Wenn wir verstehen warum und welche Gene verantwortlich sind, können wir lernen wie wir unsere Patienten hier therapieren können damit diese Erkrankung unterdrückt wird oder gar nicht erst ausbricht. Um dies besser untersuchen zu können, haben wir ein spezifisches Hypoxie-Mausmodell entwickelt. Hier können wir erste Substanzen auf ihre Wirksamkeit testen oder spezifische Gene identifizieren, die für die Krankheit relevant sind. Dies ist ein wichtiger Aspekt in der Translationalen Medizin indem man bildgebende Verfahren sowie zell- und molekularbiologischen Untersuchungen im Tiermodell anschließend auf den Menschen anwenden kann. Die Ergebnisse im Mausmodell sollten natürlich auch klinische Relevanz erhalten. Daher arbeiten wir mit großen Transplantationszentren zusammen, um aus menschlichem Lungengewebe Zellen zu isolieren. Hier erfahren wir weitere wichtige Zusammenhänge, um diese Krankheit immer besser zu verstehen.
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