Die Justus-Liebig-Universität Gießen zählt zu den führenden deutschen Hochschulen im Bereich der Umwelt- und Agrarwissenschaften und trägt wesentlich dazu bei, komplexe Zusammenhänge besser zu verstehen. Ein zentraler Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklung innovativer Ansätze, um die landwirtschaftliche Produktion auch unter den Bedingungen des Klimawandels auf nachhaltige und umweltschonende Weise zu sichern. Dieses Profil ergänzt die Zielsetzungen der Vereinten Nationen und insbesondere die des in Wien ansässigen Joint FAO/IAEA Centre of Nuclear Techniques in Food and Agriculture. Beide Einrichtungen werden künftig im neu gegründeten Liebig Centre – einem Kooperationszentrum für Agroökologie und Klimafolgenforschung – eng zusammenarbeiten.
Das Liebig Centre for Agroecology and Climate Impact Research kann nun seine Tätigkeit aufnehmen. Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung zwischen der JLU und dem gemeinsamen Zentrum von FAO/IAEA wurde am 16. Mai 2025 von JLU-Präsidentin Prof. Dr. Katharina Lorenz und Dr. Najat Mokhtar, stellvertretende Generaldirektorin und Leiterin der Abteilung für Nuklearwissenschaften und -anwendungen, in einem Online-Meeting unterzeichnet.
Das neue Zentrum setzt auf den Einsatz isotopengestützter Verfahren, um nachhaltige Landwirtschaft zu fördern, die Erträge zu verbessern und vor allem notwendige Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in über 180 UN-Mitgliedsländern weltweit umzusetzen. Ein herausragendes Beispiel ist die Initiative Atoms4Food, mit der die Vereinten Nationen ihre Mitgliedsstaaten dabei unterstützen, die Ernährungssicherheit zu erhöhen, Verluste in der Nahrungsmittelproduktion zu verringern und klimaresiliente Bewirtschaftungssysteme zu entwickeln.
Institut für Pflanzenökologie
Das Institut für Pflanzenökologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, geleitet von Prof. Dr. Christoph Müller – der an der Gründungsveranstaltung des Liebig Centre in Wien teilnahm – pflegt eine langjährige Zusammenarbeit mit der IAEA und betreibt eines der ältesten FACE-Systeme weltweit. FACE steht für „Free Air Carbon Dioxide Enrichment“. Diese Methode ermöglicht es, unter realen Freilandbedingungen die Auswirkungen erhöhter CO₂-Werte in der Atmosphäre auf die Funktionsweise von Ökosystemen zu erforschen. Bereits seit Mitte der 1990er-Jahre werden an der JLU langfristige Daten auf extensiv genutztem Grünland erhoben, die eine solide Grundlage für die Einschätzung klimabedingter Veränderungen und die Entwicklung robuster landwirtschaftlicher Nutzungssysteme schaffen. „Die Schlüsseltechniken basieren dabei auf der Anwendung stabiler Isotope, um die zugrundeliegenden biogeochemischen Prozesse, insbesondere Kohlenstoff- und Stickstoffflüsse, unter zukünftigen Klimabedingungen quantifizieren zu können“, erläutert Prof. Müller.
Institut für Insektenbiotechnologie
Die agrarökologische Forschung im Liebig Centre wird durch die Aktivitäten des Instituts für Insektenbiotechnologie im Bereich Pflanzenschutz unter der Leitung von Prof. Dr. Marc Schetelig entscheidend ergänzt. In enger Kooperation mit dem Insect Pest Control Laboratory der FAO/IAEA entwickelt das Institut biotechnologische und biologische Methoden zur nachhaltigen Bekämpfung invasiver Schadinsekten. Am Institut werden neue Verfahren der Sterilen Insektentechnik erforscht, mit denen Schädlinge gezielt und ohne Pestizideinsatz bekämpft werden können. Dazu zählen unter anderem genetische Verfahren, die die Zucht ausschließlich männlicher Insekten ermöglichen, sowie innovative Ansätze zur schnellen und umweltverträglichen Kontrolle invasiver Arten. Prof. Schetelig erklärt: „Diese Forschung hilft, den Pestizideinsatz zu verringern, die Artenvielfalt zu schützen und stärkt die internationale Vorreiterrolle der JLU auf diesem Gebiet.“
Liebig Centre
Das neu gegründete Liebig Centre fungiert als internationale Plattform, die Forschende weltweit vernetzt, den Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse fördert, UN-Forschungsprogramme unterstützt und zur Ausbildung von Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern sowie Studierenden aus Mitgliedsstaaten der IAEA beiträgt. Das Ziel besteht darin, wissenschaftlich fundierte Informationen und technische Lösungen für die Klimafolgenforschung bereitzustellen und diese an die verschiedenen regionalen Gegebenheiten weltweit anzupassen.
Der Name Liebig Centre erinnert an das Erbe von Justus Liebig, der bereits im 19. Jahrhundert an der Universität Gießen durch die Entwicklung von Düngemitteln und agrarchemischen Methoden bedeutende Beiträge zur Steigerung der Ernteerträge und zur Bekämpfung von Hunger leistete. Sein Engagement für die praktische Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und die Wissensvermittlung innerhalb der Gesellschaft spiegelt den Anspruch des neuen UN-Zentrums an der JLU wider.
Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen