Wie Healthcare-Unternehmen aus Hessen durch die Corona-Krise kommen

Dr. David Eckensberger ist Leiter der Abteilung Internationale Angelegenheiten der Hessen Trade & Invest GmbH (HTAI), der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft des Landes Hessen. Uns berichtet er, wieso Mittelhessen ein guter Standort für Healthcare-Unternehmen ist und wie es die Betriebe durch die Corona-Krise schaffen.

Dr. David Eckensberger / Foto: Christof Mattes

Was macht Mittelhessen zu einem guten Standort für international ausgerichtete Healthcare-Unternehmen?

Dr. David Eckensberger: Die Region bietet eine ganze Reihe von günstigen Faktoren: Ökonomisch, sozial und logistisch. Ein Blick auf Mittelhessen zeigt, dass hier eine sehr gute Mischung von Großkonzernen und innovativen mittelständischen Unternehmen zu finden ist. Dabei wird eine Reihe unterschiedlicher Bereiche der Healthcare-Branche abgedeckt. Zudem sind hier beispielsweise auch die Optikindustrie oder Unternehmen im Bereich der Elektronik beheimatet, sodass sich ein Netzwerk der kurzen Wege ergibt, wenn man an Forschungsprojekte denkt. Das macht sich auch insgesamt im Netzwerk bemerkbar. Mittelhessen kombiniert die sozialen und gesellschaftlichen Vorteile einer Region außerhalb des Ballungsraums mit den logistischen Vorteilen des Ballungsraums vor ihrer Haustür.

Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen Healthcare-Unternehmen und Start-ups in der Corona-Krise und wie können Sie diese bewältigen?

Dr. Eckensberger: Das unterscheidet sich je nach Segment, in dem sich die Unternehmen bewegen. Während sich beispielsweise Impfstoff-Hersteller und Unternehmen aus dem Bereich der Intensivmedizin sowie der Schutzausrüstung derzeit eher über zu viel Arbeit beschweren könnten, sieht es im Bereich von Implantaten wieder ganz anders aus. Hier herrscht aufgrund der Verschiebungen medizinisch nicht notwendiger Operationen und auch aufgrund der Skepsis mancher Patienten durchaus eine gewisse Unsicherheit. Auch der OTC-Bereich spürt stellenweise Änderungen beim Absatz seiner Präparate. Schlussendlich gibt es Unternehmen, für die das Geschäft im Wesentlichen unverändert weiter ging und geht. 

Etwas, das alle Unternehmen betrifft – völlig unabhängig von der Branche – ist die Herausforderung Produktion, Forschung und Verwaltung gemäß den aktuell geltenden Hygieneregeln zu organisieren. Gerade in Produktionsbereichen stellt das häufig eine knifflige Aufgabe dar. Aber hier hat wiederum gerade der Healthcare-Sektor einen Vorsprung. Durch das bestehende, enge regulatorische Netz an Vorschriften sind die wichtigen Bereiche meist ohnehin schon strengen Hygieneregeln unterworfen, sodass hier schnell und effizient weitergearbeitet werden konnte. Durch das bestehende, enge regulatorische Netz an Vorschriften sind die wichtigen Bereiche meist ohnehin schon strengen Hygieneregeln unterworfen, sodass hier schnell und effizient weitergearbeitet werden konnte.

Welche Unterstützung erhalten Unternehmen von Ihnen, vor allem in der aktuellen Situation?

Dr. Eckensberger: Als nicht-monetäre Wirtschaftsförderung des Landes war es schon immer unser Bestreben, den Unternehmen in Hessen mit Netzwerken und Informationen beratend zur Seite zu stehen. Dabei gilt für uns der Grundsatz: Wer in Hessen sein Geschäft betreibt, ist für uns auch ein hessisches Unternehmen – ganz egal ob es das Start-Up ist, das mit neuen Ideen seine Branche revolutionieren möchte, der etablierte Mittelständler, der sich über neue Wege in seinem Innovationsmanagement oder europäische Förderprogramme informiert oder die neue Niederlassung eines globalen Konzerns, die nach geeigneten Kooperationspartnern für ein Forschungsprojekt sucht. In der Krise haben wir darüber hinaus natürlich auch zu den staatlichen Förderprogrammen beraten und die Unternehmen unterstützt, ihre Anträge auf Hilfsgelder zu stellen. Hier war unsere enge Verzahnung mit Politik und der Förderbank des Landes ein großer Vorteil. Auch bei der Information zu den jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen haben wir mit einer Hotline seit März schnell und unbürokratisch geholfen.

Was möchten Sie Unternehmen mit auf den Weg geben, um zukunftsfähig zu bleiben?

Dr. Eckensberger: An sich sind die Erfolgsrezepte bekannt: die eigene Branchenentwicklung im Blick behalten, mal über den Tellerrand schauen und immer den Mut zur Veränderung haben. Aber das ist natürlich leicht dahingesagt. Ich bin aber absolut überzeugt: Vor allem der Wille zur aktiven Veränderung, etwas Neues auszuprobieren und angestammte Denkbahnen einmal zu verlassen, ist ein ganz wichtiger Faktor. Dazu muss im Unternehmen eine Kultur herrschen, die Fehler toleriert – in einem vernünftigen Rahmen und wenn man daraus lernt – und zu eigenen Ideen und Innovationen anregt. Ein völlig durchgetakteter Tag lässt dafür keine Spielräume. Das bedeutet nicht, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter festgelegte Innovationszeiten haben sollten, sondern, dass das System flexibel genug sein muss, wenn eine gute Idee auftaucht, schnell ein kleines Team zu bilden, um diese weiterzuentwickeln. So kann man in kurzer Zeit viele Ansätze kreieren – und die Besten davon dann weiterverfolgen. Ich bin überzeugt, dass ein komplett ausoptimiertes System starr und damit gesamtökonomisch gesehen letztendlich wieder anfällig wird. Trennen Sie sich von den Glaubenssätzen „das haben wir schon immer so gemacht“, „das haben wir noch nie so gemacht“ und „da könnte ja jeder kommen“. Das klingt einfach, ist aber im täglichen Arbeiten gar nicht so leicht. Motivieren Sie Ihre Teams immer Abläufe und Produkte zu hinterfragen. Natürlich gibt es gute Prozesse, aber es schadet ja nicht, sich von Zeit zu Zeit zu vergewissern, dass das immer noch so gilt.

Einen ergänzenden Artikel mit David Eckensberger lesen Sie hier.

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