Durch die erfolgreiche Entwicklung einer genetisch modifizierten Mauslinie können nun Forscher aus der Universität Marburg wichtige Einblicke in die Aktivität von Nieren-Makrophagen gewinnen. Das ist ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg zur Früherkennung von vielen Nierenerkrankungen.
Makrophagen, auch als Fresszellen bekannt, sind spezialisierte Immunzellen, die eine zentrale Rolle bei vielen entzündlichen Vorgängen im menschlichen Körper spielen. Man findet sie überall in Geweben und Organen. In der Niere reagieren diese Zellen sehr sensibel auf Gewebeverletzungen und passen sich sehr rasch dynamischen Veränderungen in ihrer Umgebung an. Eine genaue Erfassung dieser Anpassungsvorgänge auf genetischer Ebene könnte sehr hilfreich bei der Untersuchung von Nierenerkrankungen sein. „Gerade deshalb finden Gewebs-Makrophagen in der Medizin besondere Beachtung“, sagt der Marburger Mediziner Prof. Dr. Ivica Grgic. Da diese Immunzellen im Nierengewebe unter mehr als zwei Dutzend anderen Zellarten verborgen sitzen, ist es eine besondere Herausforderung für Forscher ihre spezifische Aktivität von der Aktivität anderer Zellen zu unterscheiden. „Das macht es so schwierig, reine und unverzerrte Informationen über sie zu sammeln“, so Grgic. Um dieses Problem zu lösen haben er und sein Team zum ersten Mal eine Mauslinie entwickelt, die es ermöglicht, Makrophagen in der Niere nicht nur zu visualisieren, sondern auch den Zustand und Dynamik ihrer Genaktivität nahezu in Echtzeit zu erfassen. Die Ergebnisse ihrer Forschung wurden im Mai 2020 in „Scientific Reports“, einer Wissenschaftszeitschrift der Nature-Gruppe veröffentlicht. Neben Grgic Arbeitsgruppe und weiteren Wissenschaftlern der Philipps-Universität beteiligten sich Forscher der Universitäten Gießen, Würzburg und Heidelberg sowie aus den USA an der Studie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Von Behring-Röntgen-Stiftung sowie weitere Geldgeber unterstützten die Forschungsarbeit finanziell.
MacTRAP Mäuse erlauben tiefe Einblicke in die Funktion von Nieren-Makrophagen
Die Forschungsgruppe entwickelte zunächst ein künstliches makrophagenspezifisches Genkonstrukt und generierte dann eine Mauslinie, die “MacTRAP” Linie, die dieses Gen ausbildet. Das synthetische Konstrukt kodiert für das ribosomale Protein L10a und den fluoreszierenden Farbstoffs eGFP, das die Identifikation des Genproduktes ermöglicht. L10a ist ein Bestandteil der Ribosomen und spielt eine wichtige Rolle, wenn Gentranskripte, sogenannte mRNAs, in Proteine umgesetzt werden. Diese hochinformativen Komplexe aus Ribosomen und mRNAs werden auch als Polysomen bezeichnet. Da ausschließlich Makrophagen das „eGFP-L10a“ Fusionsprotein herstellen, war es für das Forschungsteam möglich, mittels magnetischer Mikro-Kügelchen mit spezieller Antikörper-Ummantelung das beflaggte künstliche Protein zu „greifen“ und mitsamt den anhängigen, makrophagen-spezifischen Polysomen herauszuziehen. Somit konnten Kontamination und Verzerrung durch Genprodukte anderer Zelltypen desselben Organs verhindert werden.
Makrophagenveränderungen als Frühindikatoren von Nierenerkrankugen
Mit diesem neuen Verfahren konnte das Team ein hochauflösendes Profil der Makrophagen in der Niere herstellen und bessere Erkenntnisse über ihre biologischen Eigenschaften, Funktionen und Verhalten gewinnen. Veränderungen in den Genexpressionsmustern dieser Immunzellen zählen zu den am frühesten messbaren Anzeichen für Krankheitsprozesse. „Eine zellspezifische Erfassung von Genexpressionsänderungen bietet somit die Möglichkeit, frühzeitig und zielgerichtet in schädigende Vorgänge eingreifen zu können“, erläutert Erstautor Dr. Andreas Hofmeister, der an der Studie im Rahmen seiner Doktorarbeit bei Prof. Grgic maßgeblich beteiligt war.
„Es gibt für den TRAP-Ansatz ein großes Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten nicht nur in der Niere, sondern auch in anderen Geweben und Organen wie zum Beispiel Lunge, Leber, Haut und Gefäßsystem, da das System organübergreifend funktioniert, und somit universell einsetzbar sein sollte“, erklärt Grgic. Die neuartige MacTRAP-Mauslinie ist bis dato „ausschließlich an der Philipps-Universität verfügbar und bislang auch nicht kommerzialisiert.“