Das TIG: Startup-Schmiede im Gießener Europaviertel

Fehlende Aufträge, mangelndes Netzwerk, Geldknappheit: Die Gründe einer Startup-Pleite sind vielfältig. Das Technologie- und Innovationszentrum Gießen (TIG) unterstützt deshalb junge Unternehmen von Beginn an: Förderprogramme, internes Netzwerken, günstige Gewerbeflächen – all das in der wirtschaftsstarken Region Mittelhessen.

Das Technologie- und Innovationszentrum Gießen (TIG) befindet sich im Herzen des Europaviertels. (Foto: Alexander Körber)

Selbstreinigende Oberflächen im Krankenhaus, für die keine Chemikalien gebraucht werden? Zusätzlich noch umweltfreundlich? Genau diese Mission verfolgt Dr. Klaus Schepers und gründete ein Startup. Dieses hat einen antiviralen Lack auf den Markt gebracht, der permanent antimikrobiell wirkt: Bakterien, Viren und Pilze sterben darauf in nur wenigen Minuten – auch Corona-Viren wie eine eigens durchgeführte Analyse ergab. Und: Der Lack kann auf beliebige Oberflächen wie Holz, Metall oder Kunststoff aufgetragen werden. Schepers ist Geschäftsführer der Munditia Technologies GmbH (kurz: Munditech). Seine Firma stellt Hygienebeschichtungen für den Healthcare-Bereich her, beispielsweise für sterile Lichtschalter in sanitären Einrichtungen. „Wir wollen neue Maßstäbe in der Hygiene mit umweltfreundlichen Lösungen setzen. Unser Ziel ist es, durch die Nutzung natürlicher Ressourcen die Gesundheit der Menschen zu schützen”, sagt der Geschäftsführer. Bis zur Marktreife und Etablierung des Lacks hat es allerdings einige Jahre gedauert. In dieser Zeit mietete er Räume im Gießener Technologie- und Innovationszentrum (TIG) und arbeitete anfangs noch parallel als Unternehmensberater in der Technologieberatung. 

„Das Technologie- und Innovationszentrum Gießen war uns vor allem in der Anfangszeit eine große Hilfe“, so der Geschäftsführer. Denn hohe Mieten für Büro- und Laborflächen belasten ein Startup anfangs, wenn Aufträge noch auf sich warten lassen. Im TIG profitierte Schepers nicht nur von den kostenlosen Seminarräumen, der günstigen Miete und dem internen Netzwerk. Gemeinsam mit regionalen Netzwerkpartnern bietet die TIG Akademie regelmäßig Weiterbildungen und Seminare an. Vor allem die wissenschaftliche Beratung durch Experten brachte Schepers dem Erfolg Stück für Stück näher. So half ihm auch die Firma Merck, sein Produkt bis zur Marktreife zu entwickeln. Die Wirtschaftsförderung der Stadt Gießen machte Munditech zudem mit dem Team von „Ab Idee ok!” (Johannes Hübner GmbH Giessen) bekannt, die von Schepers Gründungsidee überzeugt waren – sie investierten in das noch junge Unternehmen (mehr dazu hier). Mit zunehmender Nachfrage stiegen die Produktionsanforderungen von Munditech, es musste irgendwann eine größere Halle her. Das Unternehmen verließ deshalb das TIG und wuchs. Munditia Technologies GmbH ist nun ein weltweit agierendes Unternehmen.

„Wir haben 370 Gründungen in 20 Jahren begleitet – darauf sind wir sehr stolz.“
Antje Bienert
Geschäftsführerin TIG

Das TIG Gießen: Raum für Ideen

An seine Zeit im TIG erinnert er sich aber gern zurück. „Die Erfahrungen mit dem Gründernetzwerk hier vor Ort haben mir auch gezeigt: Die monetären Mittel sind nicht die primäre Ressource für den erfolgreichen Aufbau eines Startup. Viel wichtiger ist ein starkes Netzwerk – genau das fördert das TIG.” Aktuell vereinen sich im TIG 80 Unternehmen aus dem Healthcare-Bereich. „Man kennt sich, man netzwerkt und kommt hier leicht ins Gespräch mit anderen Unternehmern der gleichen Branche. Das ist ein super Einstieg ins Business“, sagt Schepers. 

Auch die zentrale Lage im Herzen Deutschlands, die gute Infrastruktur und die Forschungs- und Wirtschaftsstärke der Region machen sich Startups zu Nutze, die hierher kommen. Denn eine Reihe an Industrieunternehmen, drei Hochschulen und ein Universitätsklinikum machen Mittelhessen zu einem Hotspot der Gesundheitsbranche. Hier vereinen sich alle Glieder der Wertschöpfungskette im Bereich Healthcare: Bildung, Forschung und Industrie arbeiten Hand in Hand und bringen viele zukunftsweisende Innovationen auf den Markt, die global Anklang finden. Diese außergewöhnliche Verzahnung an kooperierenden Institutionen ist einzigartig und deshalb erfolgversprechend für junge Startups der Branche.

„Wir haben 370 Gründungen in 20 Jahren begleitet – darauf sind wir sehr stolz“, berichtet Antje Bienert, seit nun fast zehn Jahren Geschäftsführerin des TIGs. „Bei uns ist es möglich, Büro-, Labor- und Lagerflächen ab 13 Quadratmetern zu mieten“, sagt Bienert. „Wir finden hier für jeden eine geeignete Lösung.” Auch Schepers brauchte zu Beginn einen Forschungsraum für seine Arbeit. So wurde rasch ein alter Duschraum zum Laborraum umfunktioniert. Das TIG unterstützt Jungunternehmer gern und man habe es täglich mit dynamischen, kreativen Köpfen zu tun: „Wie aus kleinen Startups, wie Munditech, wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen werden – das sehen wir gerne, das treibt uns an.“ 

Zukünftig möchte auch das TIG expandieren und neue Standorte in der Gießener Innenstadt zu eröffnen, die leichter zu erreichen sind. „Wir wollen weiterhin innovative Ideen fördern und dabei unterstützen, Gründerträume wahr werden zu lassen“, sagt die Geschäftsführerin.

Augen sind der Spiegel zur Seele – und zur Gesundheit

Die Augen können viel über einen Menschen verraten: Was er denkt, was er fühlt – und dank Thomas RECORDING nun auch, ob er an einer neurodegenerativen Krankheit leidet, wie etwa Parkinson. Das Gießener Unternehmen arbeitet seit langem erfolgreich mit Start-Ups des Technologie- und Innovationszentrums Gießen (TIG) zusammen. Bisher basiert die Diagnose der Krankheit oft darauf, dass Ärzte die Symptome (verlangsamte Bewegungen, steife Muskeln die in Ruhehaltung Zittern und mangelnde Stabilität der aufrechten Körperhaltung) erkennen und andere mögliche Ursachen ausschließen.

Für eine effektive Behandlung von Parkinson ist es dann jedoch zu spät. Gemeinsam mit Forschern der Philipps-Universität Marburg, arbeitet die Thomas RECORDING GmbH in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt DIADEM an der Entwicklung eines neuartigen neuromedizinischen Diagnosesystems. Mit Hilfe von Eye-tracking (siehe Bild oben) lassen sich viele Hirnerkrankungen bereits sehr früh, teilweise noch bevor erste Symptome auftreten, erkennen. Die Messung der Augenbewegungen wird mittels Tablet-Computer durchgeführt, die dabei gewonnenen Daten unterstützen den Arzt bei der Diagnose.

Firmenporträt

Technologie- und Innovationszentrum Gießen GmbH

Das Technologie- und Innovationszentrum Gießen, kurz TIG, entstand 1999 – mit dem Ziel, junge und regionale Unternehmen zu unterstützen. Hervorgegangen ist das TIG aus dem 1996 gegründeten “Gründerzentrum Gießen”. Seitdem ist das TIG, mit Sitz im Gießener Europaviertel, ein voller Erfolg – bereits 350 Start-Ups und junge Unternehmen haben die Beratung, sowie die Büro- und Laborräume erfolgreich genutzt. Aktuell befinden sich im TIG 90 Mieter verteilt auf 6.000 Quadratmetern.

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