Corona-Impfstoff bereit für klinische Tests

Für Millionen Menschen wäre ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 die Rettung. Healthcare-Experten aus Mittelhessen sind diesem Ziel wieder einen Schritt nähergekommen: der klinischen Prüfung am Menschen.

Weltweit läuft die Impfstoff-Entwicklung gegen SARS-CoV-2 auf Hochtouren – auch in Mittelhessen geht es in die nächste Etappe der Entwicklung: Die ersten klinischen Versuche am Menschen können bereits im September beginnen. „Der Bauplan für den Impfstoff ist fertig. Jetzt muss der Impfstoff für die klinischen Tests noch produziert werden“, erklärt Prof. Dr. Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie an der Universität Marburg  und Koordinator des Bereichs „Neu auftretende Infektionskrankheiten“ im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). Finanziell und logistisch habe man für den Start der klinischen Prüfung der Phase 1 alles zusammen, so Becker. In dieser Etappe steht nicht nur die Verträglichkeit des Impfstoff-Kandidaten im Fokus, sondern auch die Immunreaktion des Menschen: Dieses sogenannte Immun-Monitoring, also die Charakterisierung der Antikörper-Antwort, findet in Marburg statt. Die für die klinische Phase 1 benötigten Impfstoff-Mengen stellt das Unternehmen IDT Biologika in Dessau her. Die Produktion wird voraussichtlich in den nächsten drei Monaten abgeschlossen sein, sodass die klinischen Tests im September losgehen können. 

Viren als Impfstoff-Fähren

Entwickelt wurde der sogenannte Vektor-Impfstoff von Forschern der Ludwigs-Maximilians-Universität in München (LMU) unter der Leitung von Prof. Dr. Gerd Sutter. Bei diesen Vektoren handelt es sich um abgeschwächte Viren, die sich als harmloses Transportvehikel nutzen lassen. Das Team um Sutter nutzt das Modified-Vaccinia-Ankara-Virus, kurz MVA, das bereits vor mehr als 30 Jahren an der LMU erzeugt wurde – damals zu Impfzwecken gegen Pocken. Der große Vorteil: „Wir haben damit eine Plattform-Technologie und können im Prinzip jede fremde genetische Information unter die Kontrolle unseres Impfvirus stellen”, sagt Gerd Sutter. “Es ist ein bewährtes Vektorsystem, für das eine großtechnische Produktion bereits etabliert ist. Das Basisvirus ist vollständig charakterisiert und zusammen mit gentechnisch veränderten Varianten an mittlerweile mehr als 12.000 Personen klinisch getestet worden. Wir kennen das Nebenwirkungsprofil und die Immunogenität des Basis-Impfstoffs schon sehr gut“, betont Gerd Sutter zudem. 

Vom Wissen zum MERS-Impfstoff profitieren

Auch die DZIF-Experten haben Erfahrung mit Impfviren: Diese wurden bereits erfolgreich als Vektoren für die Impfstoff-Entwicklung gegen das MERS-Coronavirus verwendet, das in Saudi-Arabien vorkommt und von Dromedaren auf Menschen übertragen wird. Es ist ein naher Verwandter von SARS-CoV-2. Der MERS-Impfstoff hat die erste klinische Prüfung bereits erfolgreich absolviert und befindet sich in der weiteren Entwicklung. Für den neuen Impfstoff-Kandidaten gegen SARS-CoV-2 leitet Prof. Marylyn Addo vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) die klinische Prüfung. „Für viele Abläufe in diesem Entwicklungsprozess können die Erfahrungen aus der MVA-MERS-Studie als Blaupause dienen“, sagt Addo, die bereits maßgeblich an der MERS-Impfstoff-Entwicklung beteiligt war. Dabei stellte sich heraus, dass der Impfstoff gegen das MERS-Coronavirus sehr gut verträglich ist und die geimpften Personen eine Immunantwort zeigten. 

Trotz Turbo-Entwicklung: Kein Impfstoff in 2020

„Für den neuen Impfstoff hat auch die regulatorische Vorbereitung der klinischen Prüfung bereits begonnen. Eine offizielle Rekrutierung von Probanden kann erst nach Erteilung eines positiven Votums der Ethikkommission erfolgen, dennoch können sich Interessierte schon jetzt registrieren lassen – und zwar unter der E-Mail-Adresse: info-covid@uke.de“, sagt Addo. Zwar läuft die Entwicklung des Impfstoffs im Vergleich zu früheren Verfahren sehr viel schneller, dennoch dämpfen die Forscher die Hoffnung: In diesem Jahr wird er noch nicht zur Verfügung stehen. Es ist ein langwieriger, mühsamer Prozess. „Vor allem die klinische Prüfung für die Zulassung eines Impfstoff-Kandidaten dauert länger als  ein paar Wochen“, betont Becker.

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