“Gegen die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen kann jeder einen Beitrag leisten”

Multiresistente Keime sind unempfindlich gegenüber vielen Antibiotika – und gefährden Menschenleben. Dr. Can Imirzalioglu und sein Team forschen daran die Erreger besser zu charakterisieren um ihre Ausbreitung zu verhindern. Im Interview erklärt der ärztlicher Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Gießen seine Strategie und was jeder Einzelne gegen die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen tun kann.

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Warum sind multiresistente Keime gefährlich? 

Dr. Can Imirzalioglu: Diese Erreger, die in Zusammenhang mit vielen Infektionsausbrüchen in Krankenhäusern gebracht werden,  zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Darm von vielen Menschen besiedeln. Mittlerweile geht man davon aus, dass bis zu zehn Prozent der Bevölkerung solche resistenten Erreger dauerhaft in ihrer Darmflora mit sich tragen. Bei einigen Erregern haben wir Hinweise dafür bekommen, dass sie häufiger als in der Vergangenheit in der Bevölkerung vorkommen. Das Problem bei allen multiresistenten Erregern ist, dass sie über Jahre oder Jahrzehnte den Darm besiedeln können ohne dass es zu Symptomen kommt. Diese Erreger können sich stärker als andere ausbreiten und  ihre Resistenzen weitergeben. 

Wie können sich die Keime verbreiten?

Dr. Can Imirzalioglu: Beispielsweise können diese Erreger bei einem Patient nach einer Operation, die vielleicht auch eine Schwächung des Immunsystems bedeutet, eine Infektion auslösen. Oder er kann die Keime auch an andere Personen im Krankenhaus weitergeben. Wenn zum Beispiel ein resistentes E. coli-Bakterium im Darm neben einem nicht-resistenten Bakterium sitzt, kann das erste Bakterium die Resistenz an das zweite weitergeben. Aber dieser Übertragungsmechanismen ist schwierig nachzuvollziehen.

PD Dr. Can Imirzalioglu, Inst. Medizinische Mikrobiologie, JLU Giessen

Woran arbeiten Sie genau?

Dr. Can Imirzalioglu: Im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) beschäftigen wir uns hauptsächlich mit dem Problem der Ausbreitung von multiresistenten gramnegativen Erregern wie Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae. Mittels Genanalysen können wir tiefe Einblicke in die Ausbreitungsmuster der multiresistenten Erreger gewinnen. Das gibt uns die Möglichkeit neue Ansätze zur Bekämpfung der Ausbreitung,  zur Prävention, zur Diagnostik und zur Therapie von Infektionserkrankungen zu entwickeln.

Welche Ergebnisse konnten Sie bisher erzielen?

Dr. Can Imirzalioglu: Wir haben vielfältige Erkenntnisse über die Ausbreitung von Resistenzen und multiresistenten Erregern in Mensch, Tier und Umwelt erbringen können.  Unter anderem haben wir zum ersten Mal in Deutschland das Resistenzgen mcr-1 nachgewiesen. Dieses Gen vermittelt die Resistenz gegen ein absolutes Reserveantibiotikum. Wir konnten auch zeigen, dass hier wahrscheinlich ein Transfer vom Tier in Richtung Mensch stattgefunden hat. Durch den Einsatz bestimmter Antibiotika in der Tierzucht konnte sich dieses Resistenzgen ausbreiten und wurde dann wahrscheinlich nach und nach zum Menschen übertragen. 

Was kann man gegen die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen tun?

Dr. Can Imirzalioglu: Für mich ist es wichtig zu betonen, dass jeder durch sein Handeln und seine Tätigkeit einen Einfluss auf die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen nehmen kann. Viel hängt von unserer eigenen Einstellung und dem Umgang mit Erkrankungen ab. Man muss natürlich auch Verantwortung übernehmen für Länder in denen die Ressourcen nicht so vorhanden sind wie bei uns. Deshalb ist ein weltweiter ganzheitlicher Ansatz unter Einbeziehung jedes einzelnen die einzige Möglichkeit eine weitere Verschlimmerung der Situation auf Dauer zu verhindern.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Ihrer Forschung?

Dr. Can Imirzalioglu: Die Genomanalysen, die wir durchführen, basieren auf Prozessen der Bioinformatik. In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Systembiologie und Bioinformatik haben wir verschiedene Prozesse  zur Analyse dieser Daten entwickelt. Bislang arbeiten wir noch ohne Ansätze aus Künstlicher Intelligenz. Aber künftig könnte diese einen wesentlichen Einfluss auf die Durchführung von komplexen Analysen haben. 

Durch den Einsatz von Künstliche Intelligenz könnte die genomische Sequenzierung vereinfacht werden und in den klinischen Alltag Einzug erhalten. Daraus würde sich ein enormer Mehrwert für die Patienten ergeben, weil man schnell wissenschaftliche Erkenntnissen in diagnostische und therapeutische Ansätze umwandeln könnte. 

Wie kooperieren Sie mit anderen Institutionen?

Dr. Can Imirzalioglu: Auf lokaler Ebene arbeiten wir mit anderen klinischen Bereichen des Universitätsklinikums Gießen wie der Infektionsmedizin und der Urologie aber auch mit veterinärmedizinischen Kollegen zusammen. Auf hessischer Ebene kooperieren wir mit anderen universitären Institutionen in Frankfurt und Marburg, die in diesem Forschungsbereich tätig sind und mit dem Hessischen Landesprüfungs- und Gesundheitsamt. Auf nationaler Ebene sind wir mit anderen DZIF-Standorten und dem Robert-Koch-Institut vernetzt. Wir haben aber auch vielfältige internationale Kooperationen unter anderem in Indien, Frankreich und Spanien. Unsere Rolle im Rahmen dieser Kooperationen ist es, die bakteriellen Erreger genau zu charakterisieren und bestimmte Eigenschaften experimentell zu bestätigen. Durch bioinformatischen Analysen können wir epidemiologische Zusammenhänge nachweisen oder bestätigen.

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