Weltweit entwickeln Forscher digitale Helfer für die Medizin der Zukunft. Healthcare-Experten an der Technischen Universität Mittelhessen (THM) zeigen wie IT-Innovationen die digitale Medizin forcieren – mit einem Gerät, das vor dem plötzlichen Kindstod warnt, einer App, die Wartezeiten beim Arzt reduziert und einem Roboter, der das Pflegepersonal entlastet.
Dr. Spock hatte schon in der Star Trek Serie alle Informationen jederzeit abrufbereit auf einem kleinen Gerät. Das inspirierte den jungen Keywan Sohrabi. Heute ist er Arzt und Professor an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) – und mit einem Forscherteam entwickelte er ein winziges, kontaktloses Gerät, das Menschen das Leben retten soll. Es zeichnet sowohl die Atmung als auch das Schlafverhalten von Säuglingen auf. Sobald ein Säugling plötzlich aufhört zu atmen, schlägt das Gerät Alarm. Damit ist es ein lebensrettender Hefler gegen den dern Plötzlichen Kindstod – kurz SIDS. Auch andere, bei Kindern weit verbreitete, respiratorische Erkrankungen können so mit dem Gerät überwacht werden. QuietamNox nennen die Forscher das audio-visuelle Langzeitmonitoring, was übersetzt soviel wie ‚ruhige Nacht’ bedeutet. Das vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Gerät QuietamNox soll bis 2021 einsatzbereit sein.
Gesundheitswesen 4.0: Der Arztbesuch der Zukunft
Eine weitere Innovation aus Mittelhessen ist die „Warts-Ab“-App, die THM-Informatik-Professor Dr. Thomas Friedl entwickelt hat. Der Gedanke dahinter: keine lange Wartezeiten im Wartezimmer, keine Ansteckung durch andere Patienten. Denn: Wer einen Arzttermin hat, darf die Arztpraxis nach der Anmeldung direkt wieder verlassen. Erst wenn ein Patient an der Reihe ist, erhält dieser eine Benachrichtigung per App und kann ohne Umwege direkt in den Behandlungsraum spazieren. Unterstützung für diese App erhielt Friedl und sein THM-Team vom Hessischen Sozialministerium und der Techniker Krankenkasse. Insgesamt bedeutet eine reduzierte Wartezimmerbelegung eine geringere Wahrscheinlichkeit der Verbreitung von Krankheiten, Ablenkungen oder Beschwerden im Wartebereich. Die App befindet sich noch in der Testphase. Aber die Nachfrage ist jetzt schon vielversprechend: Viele Ärzte bekundeten bereit ihr Interesse an der App.
Digitale Gesundheitsversorgung: Medizin im Wandel
Die digitale Gesundheitswirtschaft umfasst die Bereiche Gesundheit (Health), Informationstechnologie (IT), beispielsweise in Form von tragbaren Geräten, der Telemedizin bis hin zur personalisierten Medizin. Da jeder aus Technologieunternehmen, medizinischen Forschungsinstituten und nationalen Regierungen dazu berechtigt ist, die digitale Gesundheit zu entwickeln, sind die Chancen für eine optimale und effiziente Gesundheitsversorgung so groß wie noch nie.
Ein Roboter als Krankenschwester
Ob Ärztemangel, fehlende Krankenschwestern oder Pfleger – überall wird händeringend nach Fachkräften gesucht. Und dabei geht es nicht nur um die medizinischen und pflegerische Tätigkeiten, auch die Kommunikation mit den Kranken trägt wesentlich zu deren Wohlbefinden und zu ihrer seelischen Genesung bei. Oft ist das Pflegepersonal mit der Arbeit überlastet, sodass kaum mehr Zeit für interaktive Kommunikation mit den Patienten bleibt.
Genau hier kommt Roboter Pepper ins Spiel: Ein humanoider Roboter, der die Fähigkeit besitzt, Gestiken und Mimiken zu verstehen, darauf zu reagieren und einfache Kommunikation zu betreiben. Die Frage, ob und inwieweit Pepper pflegerische Aufgaben übernehmen kann, steht im Mittelpunkt einer aktuellen interdisziplinären Studie, bei der die THM mit dem Bardt-Pflegeheim in Heringen zusammenarbeitet. Zusammen mit einem Team aus THM-Studierenden der Informatik und Betriebswirtschaft betreut Prof. Dr. Gerrit Sames das Projekt. Ihr Ziel: die Einsatzmöglichkeiten von Pepper in einem Pflegeheim zu testen. Dabei arbeiten sie an Fragen wie: Kann Pepper mit pflegebedürftigen Menschen sprechen, als Sozialpartner fungieren, oder die Patienten gar zum regelmäßigen Trinken animieren? Erste Ergebnisse zeigen: Pepper kann wichtige Aufgaben, allein durch gezielte Kommunikation übernehmen und ist eine große Hilfe für Pflegekräfte. Denn im Gespräch mit Senioren konnte Pepper überzeugen: Richtig programmiert ist er auch dazu imstande Geschichten, wie Das hässliche Entlein zu erzählen. Das Fazit der Studie: Die Kosten des Roboters sind aktuell noch zu hoch, als dass sich der Einsatz lohnt. Das THM-Team ist jedoch optimistisch, dass Pepper und andere humanoide Roboter in naher Zukunft eine gute Unterstützung im Pflegebereich darstellen.
Aus Mittelhessen in die Welt
Ob lebensrettende Technologien, innovative Programme oder humanoide Roboter: Mittelhessen ist Vorreiter in der Forschung und Entwicklung des Gesundheitssektors weltweit. Hier entstehen Healthcare-Innovationen der Zukunft. Drei Hochschulen und ein Universitätsklinikum mit zwei Standorten machen die Region zu einem Hotspot der Medizinbranche. Dabei rückt die THM ins Zentrum der Entstehung und Optimierung von Technologien für den Gesundheitssektor. Im Oktober 2019 startete der neue Master-Studiengang Digitale Medizin. Im Mittelpunkt des Studiengangs steht die Digitalisierung des Gesundheitswesen, mit dem Ziel Studierende auf die technologiebasierte moderne Medizin vorzubereiten. Es bleibt daher spannend, welche weiteren Ideen und Innovationen die THM zukünftig hervorbringt.
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Technische Hochschule Mittelhessen
Die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) bietet Studiengänge an, die Wissenschaft und Praxis eng miteinander verbinden. Sie ist die viertgrößte Fachhochschule in Deutschland. Mehr als 50 Master- und Bachelor-Studiengänge decken hier Fächer aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft und Sozialwissenschaften ab.