Medikamente ins Papier gebracht

Arzneimittel-Wirkstoffe können nur helfen, wenn sie optimal an ihren Zielort im Körper gelangen. Eine innovative Option sind Tabletten aus Papier. Wie sie wirken, haben zwei Forschergruppen der Universität Marburg untersucht. Ihr Werkzeug: die Terahertz-Spektroskopie.

Wen Kopfschmerzen, Durchfall oder Blasenentzündung plagen, weiß es zu schätzen, wenn ein Medikament rasch hilft. Doch nicht nur Schnelligkeit zählt, sondern auch das richtige Ziel im Visier. „Bildlich gesehen lässt sich der Wirkort im Körper mit der Mitte einer Schießscheibe vergleichen. Nur wenn die Wirkstoffmoleküle wirklich dort ankommen, kann eine optimale Wirksamkeit erzielt werden“, erklärt Prof. Dr. Cornelia Keck, Fachbereich Pharmazie der Philipps-Universität Marburg. Die Forscherin entwickelte Tabletten aus Papier und fand heraus, dass es aufgrund seiner Porengrößen im Nanometer-Bereich Wirkstoffe sehr gut und lange binden kann. Zudem konnte sie gemeinsam mit Prof. Dr. Martin Koch vom Fachbereich Physik nachweisen, dass sich die Geschwindigkeit der Wirkstoffauflösung im Körper erhöht.

Es ist immens wichtig, innovative Strategien zu finden, die Arzneimittel-Moleküle optimal und schnell zu ihrem Zielort zu bringen. Nur so können sie für den Menschen verfügbar gemacht werden. „Auch der potenziell beste Wirkstoff kann nicht für die Therapie eingesetzt werden, wenn er dort nicht ankommt“, sagt Keck. Das betreffe bis zu 90 Prozent der neuen Wirkstoffkandidaten, die zwar hocheffektiv sind, aber – formuliert mit herkömmlichen Strategien – nicht ihr Ziel erreichen. Die Papiertabletten, die Keck mit ihrer Arbeitsgruppe entwickelt hat, sind eine solche innovative Formulierungstechnologie. Dafür erhielt die Forscherin zuletzt den Marburger Förderpreis für Bio- und Nanotechnologie (MarBiNa).

So sehen fertige Papiertabletten aus: Sie unterscheiden sich optisch kaum von üblichen Tabletten, ermöglichen aber eine schnellere Auflösung der Wirkstoffe im Körper. (Credit: Florian Stumpf/Cornelia Keck)

Vereintes Know-How

Um diese Therapieform reif für die Anwendung am Menschen zu machen, müssen neben der Wirksamkeit auch hohe Qualitätsstandards eingehalten werden. Für die Papiertabletten hieß das auch, eine geeignete Methode zur Prüfung der Arzneimittelqualität zu entwickeln. „Hier kam uns die langjährige Erfahrung von Prof. Dr. Martin Koch und seiner Arbeitsgruppe im Bereich der Terahertz-Spektroskopie zugute“, sagt Keck. Finanziell unterstützt wurde die fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit durch das Projekt „UMR 2027“. Dieses wird wiederum aus Mitteln des Innovations- und Strukturentwicklungsbudgets des Landes Hessen finanziert und soll die Interaktion in Forschung und Lehre an der Philipps-Universität Marburg fördern.

Innerhalb eines Jahres intensiver Zusammenarbeit beider Forscher-Teams gelang es, innovative Arzneiformen im Originalzustand, also ohne vorherige Probenaufbereitung und damit verbundene Veränderungen der Probe sowie Messartefakte, zu analysieren. Der Schlüssel dafür sind Terahertz-Wellen. Ihr Spektrum liegt zwischen der Infrarotstrahlung und Mikrowellen. Ihr Frequenzfenster reicht von 100 Gigahertz und bis zu 10 Terahertz (THz). „Diese neue Methode bietet präzise und ortsauflösende Messungen zur Wirkstoff-Verteilung und möglichen Wirkstoffmodifikationen in der Arzneiform. Mit herkömmlichen Methoden war dies nicht möglich“, sagt Keck. Erste Ergebnisse veröffentlichte die Forschungsgruppe im „International Journal of Pharmaceutics“.

Technologie der Zukunft

Derzeit stehen Terahertz-Wellen zudem im Fokus diverser Anwendungsbereiche: von der medizinischen Diagnostik über Sicherheitsanwendungen bis hin zur Kontrolle industrieller Prozesse. Auch das WLAN von übermorgen soll mit Terahertz-Wellen arbeiten. Ihre Erzeugung und vor allem ihr sensitiver Nachweis stellen jedoch nach wie vor eine Herausforderung dar. Kochs Arbeitsgruppe forscht unter anderem an der Weiterentwicklung von Terahertz-Messsystemen, der industriellen Anwendung der THz-Messtechnik und an der Terahertz-Spektroskopie an organischen Substanzen. Deswegen arbeiten die Marburger Wissenschaftler auch in Zukunft daran, die Methode weiter zu optimieren, zu validieren und für weitere Systeme anwendbar zu machen.

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