Prof. Dr. Katharina Krause ist seit fast 10 Jahren Präsidentin der Philipps-Universität Marburg. In der Arbeitsteilung des Präsidiums ist die Kunsthistorikerin unter anderem zuständig für die Angelegenheiten des Fachbereichs Medizin. Hier spricht sie über die Besonderheiten Marburgs und warum junge Forscher die Stadt zu schätzen wissen.
Die Stadt Marburg ist untrennbar mit dem Namen des Nobelpreisträgers Emil von Behring verbunden. Inwieweit inspiriert er noch immer die medizinische Forschungslandschaft an Ihrer Universität?
Prof. Krause: Bis heute werden die Forschungsfelder von Emil von Behring wie die Immunologie und Infektiologie sehr intensiv und international sichtbar bei uns betrieben. Die Forschung ist das, was unsere Mediziner antreibt. Zudem hat die Phillips-Universität Marburg neben der Human- und Zahnmedizin vor mehr als 30 Jahren als erste deutsche Hochschule den Studiengang Humanbiologie eingeführt, der am Fachbereich Medizin angesiedelt ist. Dieser Studiengang schlägt eine Brücke zwischen medizinisch und naturwissenschaftlich orientierten Fragestellungen und die Wissenschaftler dort sind rein forschungsorientiert. Auch auf dem internationalen Arbeitsmarkt der medizinischen Forschung sind unsere Absolventen sehr gefragt, was die Qualität unserer Ausbildung bestätigt.
Welche weiteren Besonderheiten zeichnen die Philipps-Universität aus?
Prof. Krause: Unsere Universität ist auf zwei Standorte verteilt: einmal in Marburg die Philipps-Universität in enger Symbiose mit der Stadt und seit den 1960er Jahren die Universitätsklinik auf den Höhen außerhalb des Stadtzentrums, die sich von dort weiterentwickelt. Besonders seit dem Zusammenschluss mit der Universitätsklinik Gießen ist der Campus auch für das Land Hessen von großer Bedeutung.
In einem eher unangenehmen Zusammenhang steht der Name Marburg mit dem Marburg-Virus, das zu derselben Familie wie das Ebola-Virus gehört. An unserem Institut für Virologie forschen wir an diesen Viren und betreiben hierfür ein Hochsicherheitslabor, von denen es lediglich vier in ganz Deutschland gibt. Unsere Wissenschaftler leisten hier ganz hervorragende Arbeit, beispielsweise zu neuen Erkenntnissen bei den jüngsten Ebola-Epidemien in Afrika. Aktuell sind sie im Verbund mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung auch an der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs beteiligt.
Wie wichtig sind Forschungsverbünde und -netzwerke für die Arbeit Ihrer Wissenschaftler?
Prof. Krause: Sie sind immens wichtig, gerade Impfstoff-Entwicklungen werden heutzutage fast immer in Netzwerken betrieben. Aktuell schließt sich das Pharmaunternehmen CSL Behring mit anderen Firmen zu einer Plasma-Allianz zusammen, um ein Medikament gegen Covid-19 zu entwickeln. Aber nicht nur international, auch lokal bündeln wir unsere Stärken – die eben erwähnte Virologie ist ja auch an der Universität in Gießen sehr stark und ist unser gemeinsames Thema. Die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) wiederum liefert das Wissen der Ingenieure sowie die Medizintechnik und Medizinphysik. Bei uns ist zudem das Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum für die Tumortherapie angesiedelt, das wir ohne die Medizinphysiker der THM nicht soweit hätten bringen können. Auch für unsere Reputation sind solche starken Partnerschaften natürlich sehr wichtig.
Sie sprachen die Tumortherapie an – wie sehen Sie sich in der Krebsforschung aufgestellt, um Patienten neue Therapie-Optionen bieten zu können?
Prof. Krause: Das ist natürlich ein großes Thema für uns und einer unserer Schwerpunkte, da wir hierzu alle notwendigen medizinischen Disziplinen vereinen, die interdisziplinär zusammenarbeiten. Gerade auf dem Gebiet der personalisierten Medizin mit dem Ansatz, individuell für Patienten maßgeschneiderte Therapien zu entwickeln, sehen wir große Fortschritte. Es ist ein langer und aufwändiger Weg, doch wir sind hierfür sehr gut aufgestellt in Marburg: Neben unseren Forschungsinstituten und Therapiezentren haben wir das renommierte Koordinierungszentrum für Klinische Studien als eigenständige Einrichtung an unserer Universität. Das hilft uns zusätzlich, Patienten in die so wichtigen klinischen Studien zu bringen, um Therapieerfolge wissenschaftlich begleitet überprüfen zu können. Sichtbare Fortschritte im Kampf gegen den Krebs zu erzielen, wäre etwas Großartiges!
Hohe Reputation ist gerade auch für den Nachwuchs von Bedeutung.Wie schaffen Sie es, vielversprechende junge Wissenschaftler und Studierende auf den Standort Marburg aufmerksam zu machen?
Prof. Krause: Das gelingt uns in Marburg tatsächlich sehr gut. Gerade im Bereich der Krebsforschung kommen vielversprechende Wissenschaftler auch aus dem Ausland zu uns, beispielsweise als Stipendiaten der Humboldt-Stiftung. Marburg bietet besonders auch für junge Familien eine hohe Lebensqualität. Unsere Öffentlichkeitsarbeit ist zudem sehr aktiv, über verschiedene Kanäle über die Arbeit an der Universität zu berichten – das hilft uns sehr, unsere Erfolge nach außen zu tragen und auf uns aufmerksam zu machen.
Auch in die Ausbildung investieren wir und machen den jungen Leuten viele Angebote, was sie zusätzlich stärkt. Kürzlich hatte unsere medizinische Fakultät den Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre gewonnen für ein Programm für Medizinstudierende im Praktischen Jahr, in dem die Allgemeinmedizin eine große Rolle spielt. Gerade für die Ausbildung von Allgemeinmedizinern ist Marburg traditionell ein wichtiger Standort. Neben unserer Spitzenforschung haben wir auch die Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems im Blick.
Was würden Sie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit auf den Weg geben?
Prof. Krause: Ob in der Forschung oder in der Lehre: Es gibt hier immer wieder Durststrecken und Rückschläge. Mein Rat ist, durchzuhalten und an sich zu glauben.