Meilenstein der Corona-Forschung: 3D-Karte der Virus-RNA erstellt

Wissenschaftler weltweit sind SARS-CoV-2 auf der Spur und suchen – neben Impfstoffen – auch nach Angriffspunkten für eine Therapie. Ein Forscherteam von Universitäten in Cambridge und Gießen hat dafür nun eine 3D-Karte des COVID-19-Erregers in infizierten Zellen erstellt.

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Coronaviren wie SARS-CoV-2 verfügen über ein einzelsträngiges RNA-Genom von rund 30 Kilobasen Länge – das größte bekannte Genom aller RNA-Viren. Für einzelne Bereiche dieses RNA-Stranges war bekannt, dass sie sich in 3D auffalten können. Wie das SARS-CoV-2-Virus dieses Genom-Origami verwendet, um erfolgreich Wirtszellen zu infizieren und sich dort zu vermehren, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Cambridge (Großbritannien) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Friedemann Weber am Institut für Virologie des Fachbereichs Veterinärmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) nun herausgefunden. Diese Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift “Molecular Cell” publiziert und können für die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von COVID-19 genutzt werden.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben eine komplette Karte aller 3D- Strukturen des SARS-CoV-2-Genoms in der infizierten Zelle erstellt. Dabei entdeckten sie zahlreiche neue, zum Teil über extrem weite Distanzen gebildete Auffaltungen und identifizierten ein Netzwerk von RNA-RNA-Interaktionen, das sich über sehr lange Abschnitte des Genoms erstreckt. Verschiedene funktionelle Teile des Genoms, die weit auseinanderliegen, müssen trotz der großen Entfernung zusammenarbeiten, damit sich das Coronavirus vermehren kann. „Unsere neuen Strukturdaten zeigen, wie das Virus dies bewerkstelligt“, so Prof. Weber. „Da die Form des RNA-Moleküls für seine Funktion von entscheidender Bedeutung ist, würde eine direkte Beeinflussung der RNA durch Medikamente, die den Aufbau der RNA-Struktur stören, den Lebenszyklus blockieren und die Vermehrung des Virus stoppen.“

Dr. Jon Price, Co-Autor der in der Fachzeitschrift „Molecular Cell“ veröffentlichten Studie an der Universität Cambridge, hat eine kostenlose, frei zugängliche interaktive Webseite entwickelt, auf der die gesamte RNA-Struktur von SARS-CoV-2 gehostet wird. Dies ermöglicht es Forscherinnen und Forschern weltweit, die neuen Daten bei der Entwicklung von Medikamenten zu nutzen, um bestimmte Regionen des viralen RNA-Genoms gezielt anzusprechen.

Publikation

Omer Ziv*, Jonathan Price, Lyudmila Shalamova, Tsveta Kamenova, Ian Goodfellow, Friedemann Weber*, Eric A. Miska*: The short- and long-range RNA-RNA Interactome of SARS-CoV-2. Molecular Cell, online veröffentlicht am 5. November 2020
DOI: 10.1016/j.molcel.2020.11.004

Weitere Informationen

https://doi.org/10.1016/j.molcel.2020.11.004

Kontakt

Prof. Dr. Friedemann Weber
Institut für Virologie
Telefon: 0641 99-38350
E-Mail: friedemann.weber@vetmed.uni-giessen.de

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